Greenwashing

Eine riskante Marketingstrategie vs. Integrität & Authentizität

November 2023

Governance entscheidend für die Effektivität der Triple-Bottom-Line

Nachhaltigkeit als Illusion

Stell Dir vor, Du schlenderst durch einen Supermarkt und wählst sorgfältig Produkte aus, die als nachhaltig beworben werden – und später stellt sich heraus, dass Deine Produktauswahl überhaupt nicht so nachhaltig war, wie du dachtest. Dieses in die Irre geführt werden und die damit einhergehende ‘Ent-Täuschung’ ist auch bekannt als Greenwashing. Ein inzwischen weit verbreitetes Problem in der heutigen Konsumlandschaft, was nicht nur ethische Fragen aufwirft, sondern zu einer erheblichen Bedrohung für die gesellschaftlichen Bemühungen um eine nachhaltigere Entwicklung wird.

Was ist Greenwashing?

Der Begriff Greenwashing wurde bereits 1986 von Jay Westerveld im Zusammenhang mit einem Hotel geprägt, dessen Nachhaltigkeitskommunikation im Widerspruch zu dem tatsächlichen unternehmerischen Agieren stand. Bis heute beschreibt Greenwashing den Versuch von Organisationen, sich durch gezielte Marketingstrategien ein nachhaltigeres Image aufzubauen, als es den gesamten Geschäftsaktivitäten entspricht. Dies kann beispielsweise durch die einseitige Kommunikation einzelner Nachhaltigkeitsinitiativen erfolgen, wodurch andere, umweltschädliche Aktivitäten in den Hintergrund treten. Dabei wird unterstellt, dass die Stakeholder bewusst oder unbewusst in die Irre geführt und getäuscht werden, um daraus einen Nutzen zu ziehen.

Definitionen von Greenwashing

Welche Greenwashing-Taktiken gibt es?

Bilder mit frischem Obst und Gemüse oder Naturlandschaften auf Verpackungen wecken Erwartungen über natürliche Inhaltsstoffe und umweltschonende Anbauweisen, während ein näheres Auseinandersetzen mit dem Produkt bzw. den dem Wertschöpfungsprozess das Gegenteil zeigen.

Indem einzelne Informationen ohne Kontext kommuniziert werden, ist es für außenstehende Personen schwer bis unmöglich dies einzuordnen. So ist zum Beispiel eine Aussage über CO2-Einsparungen ohne Kontext wenig aussagefähig. Oder allein die Recyclingfähigkeit von Verpackungen ist zwar ein erster Schritt, sagt allerdings wenig darüber aus, ob oder zu welchem Anteil sie tatsächlich recycelt werden. Genauso steht der Claim ‚Klimaneutralität‘ zunehmend in der Kritik, wenn er nur durch die Kompensation von Emissionen begründet wird. 

Ein Regenwaldprojekt ist grundsätzlich gut. Schwierig wird es, wenn im Verhältnis dazu, die Hauptgeschäftsaktivitäten erhebliche negative Beeinträchtigungen in der Natur mit sich bringen ohne auch nur im Geringsten erwähnt zu werden.

Greenwashing führt zu einem Dilemma für die Gesellschaft, Einzelpersonen und Unternehmen

Bei Greenwashing geht es nicht nur um das Fehlverhalten einzelner Unternehmen. Die immer häufiger auftretenden Greenwashing-Vorfälle untergraben das gesellschaftliche Vertrauen in Unternehmen beim Thema Nachhaltigkeit und erschweren so den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft. Denn Einzelpersonen wird der Glaube an ihre Selbstwirksamkeit für nachhaltige Kaufentscheidungen genommen. Bei Unternehmen kann die Angst vor Greenwashing-Vorwürfen dazu führen, dass sie ihre Nachhaltigkeitsbemühungen lieber nicht kommunizieren. Das bedeutet, dass Konsumenten, Bewerbende oder Investoren die Nachhaltigkeitspositionen von Unternehmen nur schwer einschätzen können und Unternehmen dann auch nicht vom Markt für ihre guten Taten belohnt werden können, wodurch das Prinzip der freien Marktwirtschaft gestört wird.

Der Weg zu mehr Integrität & Authentizität in Bezug auf Nachhaltigkeit

Was können Unternehmen tun, um Greenwashing zu vermeiden? Ein Ansatz für mehr Integrität und Authentizität in Bezug auf Nachhaltigkeit besteht darin, sich als Unternehmen ernsthaft mit den relevanten Nachhaltigkeitsthemen auseinanderzusetzen. Und zwar nicht nur einzelne Mitarbeitende oder die Nachhaltigkeitsabteilung, sondern vor allem auch die EntscheidungsträgerInnen. 

Nachdem ein Nachhaltigkeitsbewusstsein bei den Einzelnen aufgebaut und gestärkt wurde, geht es darum, den Status-quo zu erfassen und Handlungsfelder festzulegen, die mit der Unternehmensstrategie abgestimmt werden. Denn es geht darum, das Unternehmen nachhaltig auszurichten, sodass sich eine Symbiose zwischen der aktuellen Positionierung und Nachhaltigkeit ergibt. Hierzu ist ein kontinuierlicher Austausch mit den wichtigsten Stakeholdern essentiell. 

Im nächsten Schritt geht es darum, konkrete Nachhaltigkeitsziele zu definieren, maßgeschneiderte Strategien zu entwickeln und konsequent an nachhaltigen Verbesserungen zu arbeiten. Und das sollte nicht nur Geld kosten, sondern auf lange Sicht so angelegt sein, dass sowohl die Stakeholder, Umwelt als auch die Unternehmen davon profitieren. 

Wie bei allen unternehmerischen Maßnahmen, ist der Fortschritt zu prüfen und ggf. Anpassungen der Strategie oder der Umsetzungspläne vorzunehmen. Schließlich ist es wichtig, ein differenziertes und ganzheitliches Bild der Nachhaltigkeitspositionierung in den materiellen Themenbereichen auch in der Kommunikation abzubilden. Zur Steigerung der Glaubwürdigkeit kann zudem eine Validierung durch Dritte helfen – durch entsprechende, als glaubwürdig eingestufte, Zertifikate oder vertrauenswürdige Studienergebnisse.

Die Herausforderungen von Greenwashing-Vorfällen annehmen & in Chancen verwandeln

Während die Verbreitung von Greenwashing entmutigend erscheinen mag, unterstreicht sie auch die wachsende Bedeutung und das gestiegene Interesse von nachhaltigen Unternehmenspraktiken. Denn auf der anderen Seite gibt es immer mehr Studien, die eine höhere Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Produktattribute zeigen. Hierfür ist allerdings erforderlich, dass Konsumenten die Informationen vorliegen, die für eine wirklich nachhaltige Kaufentscheidung erforderlich sind und auch entsprechende Produkte existieren. Hier ergeben sich für Unternehmen neue Absatzmärkte. Es geht allerdings nicht nur um eine gute Kommunikation, sondern auch um tatsächliches Handeln. Dafür kann mit anfänglichen Investitionen gerechnet werden. Durch eine  Stärkung der Markenloyalität, Verbesserung des Employer Branding und Erhöhung der Investment-Attraktivität ergeben sich auch ökonomische Vorteile daraus. Und genau darum geht es: Wege zu finden, von denen der Einzelne, alle Menschen, die Unternehmen und Umwelt profitieren. Und so schwer muss das auch gar nicht sein. Es gibt schon viele Beispiele, wie nachhaltige Geschäftsmodelle eine höhere Resilienz gegenüber Krisen aufweisen, ein Umsatz- und Wachstumspotenzial mit sich bringen und durch ein höheres Engagement und Produktivität der Mitarbeitende intern Kosten eingespart werden können.

Höhere Anforderungen an die 'weichen' Faktoren

Wir leben in einer Welt, in der der das Bildungsniveau steigt und wir immer größere Anforderungen an uns als Menschen stellen, aber eben auch an Unternehmen. Errungenschaften auf dem Papier oder in der Vergangenheit reichen nicht mehr aus. Es vollzieht sich gerade ein Wertewandel und es geht immer mehr um ‚weiche‘ Faktoren wie Vertrauen und Authentizität. Aus dem zwischenmenschlichen Kontext erhalten diese Forderungen zunehmen auch Eingang in die Wirtschaft – ob am Arbeitsplatz oder im Supermarkt. Daher ermöglicht die Debatte um Greenwashing genau dieser Entwicklung Ausdruck zu verleihen.

Konsistentes Handeln & vertrauenswürdige Kommunikation als Schlüssel

Angesichts der steigenden Herausforderungen um das Thema Nachhaltigkeit, ist es notwendig, dass wir alle bewusster werden, uns hinterfragen und auch höhere Anforderungen an uns und Unternehmen stellen. Dabei bringen uns Vorwürfe oder mit dem Finger auf andere zu zeigen nicht weiter. Vielmehr ist es Zeit, mehr miteinander in den Austausch zu gehen. Welche Informationen helfen den verschiedenen Beteiligten weiter? Was ist wichtig, um fundierte Kaufentscheidungen treffen zu können und nicht die im ersten Absatz beschriebene Enttäuschung zu erleben? Was sind denn eigentlich die Erwartungen der einzelnen Stakeholder? Und wie kann die Glaubwürdigkeit von Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeit gesteigert werden? Denn nur dann können Einzelpersonen, die Gesellschaft und Unternehmen den Wandel gemeinsam vorantreiben, in dem echte Nachhaltigkeit die Norm ist und zu dem bestehenden System passt.

Resümee

Der zunehmende Diskurs zum Thema Greenwashing kann auch positive gedeutet werden. Es zeugt von einem höheren Bewusstsein in der Gesellschaft, Erwartungen an Unternehmen und einer Bereitschaft, Unternehmen auch an ihre gesellschaftliche Verantwortung zu erinnern. Es handelt sich um Erwartungen, die im zwischenmenschlichen Umgang immer selbstverständlicher werden. Wünschen wir uns nicht alle, dass uns Respekt entgegengebracht wird, unser Gegenüber ehrlich, konsistent und authentisch ist? Und genau das wird nun auch vermehrt von Unternehmen erwartet. Fair enough oder? Schließlich kommen wir allein durch Kaufentscheidungen, Jobs und Investments ständig mit Produkten von Unternehmen in Berührung, müssen bzw. können Entscheidungen treffen und unsere Zukunft mitgestalten. Das geht allerdings nur, wenn verlässliche Informationen zur Verfügung stehen. 

Für Unternehmen ergibt sich daraus die Chance, eine echte Verbindung zu Stakeholdern aufzubauen. Denn auch wenn wir in betriebswirtschaftlichen Modellen vom Homo Oeconomicus ausgehen, agieren in der Realität Menschen, die nach Werten und Authentizität streben. Und dafür braucht es Unternehmen und Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen: Unternehmen, die wirklich nachhaltiger agieren und transparent kommunizieren. Und Menschen, die sich informieren, eine eigene Meinung bilden, ihre Werte reflektieren und bewusst handeln.

Da die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten stetig steigt, ist es wichtiger denn je, das Bewusstsein zu schärfen, die Verantwortungsübernahme zu stärken und dort professionell zu unterstützen, wo es nötig ist. Durch Zusammenarbeit und den Austausch von Perspektiven sowie einem Shift von kurzfristigem zu langfristigem Denken können wir eine bessere Welt schaffen, für uns alle – im Einklang mit unseren Werten.